UNTER DER LUPE - DIE 3 GROßEN TRAININGSANSÄTZE
- Bianca

- 23. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 3. Aug.

Wusstest Du, dass Hunde kein „Richtig“ oder „Falsch“ kennen? Dieses Wertesystem ist nur uns Menschen zu eigen. Wir stülpen es unseren Hunden nur gerne mal über. Vielleicht hast Du den Satz „Der weiß genau, was er falsch gemacht hat!“ schonmal gehört. Spoiler: Nein, weiß er nicht.
Wie teilen dann aber unsere Hunde ihre Welt ein, wenn nicht in „Richtig“ oder „Falsch“?
Im Kopf unserer Hunde läuft eine ständige Kosten-Nutzen-Analyse ab. Jedes Verhalten, und sei es noch so unbedeutend, wird sofort nach seinem Auftreten oder sogar schon währenddessen, auf seine „Ausbeute“ hin durchleuchtet. Dabei prüft unser Hund, ob sich das Verhalten jetzt gelohnt hat oder nicht. Hat es sich gelohnt, wird es öfter gezeigt, hat es sich nicht gelohnt, dann wird es seltener gezeigt.
Woran macht ein Hund fest, ob es sich gelohnt hat oder nicht?
Nun, es gibt genau vier mögliche Ergebnisse/Konsequenzen, die ein Verhalten nach sich ziehen kann[1]:

Die oberen beiden Konsequenzen bewertet der Hund als „Belohnung“, da er entweder etwas Großartiges bekommt (Positive Verstärkung) oder, vor etwas Unangenehmen bewahrt wird (Negative Verstärkung).
Die unteren beiden Konsequenzen bewertet der Hund als „Nicht-lohnend“, sie sind daher eher zu vermeiden. Entweder wird dem Hund etwas Schönes/Angenehmes vorenthalten (Negative Strafe) oder er bekommt etwas Unschönes zugefügt (Positive Strafe).
Allerdings ist da noch das Problem mit dem blauen Kasten, der Negativen Verstärkung. Diese Art der Belohnung kann nur eintreten, wenn der Hund vorher positiv gestraft wurde (rotes Kästchen). Daher ist es ein „Lohnt-sich“ mit bitterem Beigeschmack!
D.h. nur das „Lohnt-sich“ aus dem grünen Kasten ist unbelastet und unbeschwert.
Bei manchen Konsequenzen ist es manchmal nicht sicher, ob der Hund sie als schön & angenehm empfindet oder eher als etwas Unangenehmes. Es gibt z.B. Hunde, die Streicheln am Kopf doof finden. Und damit landet „Streicheln-am-Kopf“ bei diesem Hund in der Kategorie „Positive Strafe“. Da muss man genau auf die Körpersprache seines Hundes schauen, um das halbwegs mit Sicherheit sagen zu können. Wenn’s um Belohnungen geht, gilt: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!
Nun kann ich mir das Wissen um diese 4 Quadranten natürlich auch im Training zu Nutze machen. Möchte ich, dass ein Verhalten häufiger/zuverlässiger (z.B. ein zuverlässiges „SITZ“) auftritt, dann bediene ich mich der Verstärker und wenn ich möchte, dass ein Verhalten weniger oder sogar gar nicht mehr auftritt, dann bediene ich mich der Strafen.
Haaaalt, nicht so schnell…
So einfach ist es dann doch nicht. Sehen wir uns dazu erst einmal die Emotionen an, die hinter den 4 Quadranten stecken.

Wird der Hund positiv verstärkt erlebt er einen Zustand von Freude.
Bewegen wir uns im Bereich der Negativen Strafe (darf der Hund z.B. nicht zum geliebten Mauseloch), dann haben wir ganz schnell Frustration an Bord.
Wird der Hund durch Schreck- oder/und Schmerzreize gestraft, weil er etwas „falsch“ gemacht, dann bekommen wir einen Hund der Angst vor uns bekommt.
Hört die positive Strafe auf, sind wir im Bereich der negativen Verstärkung, die mit Erleichterung einhergeht.
Muss ich jetzt wirklich, wenn ich möchte, dass das z.B. unerwünschtes Verhalten aufhört, auf Strafen zurückgreifen? Jeder der seinen Hund liebt, will doch nicht, dass er Angst vor Einem hat oder dass er durch Einen frustriert werden muss, um unerwünschte Verhaltensweisen loszuwerden. Die gute Nachricht ist, nein, Du musst nicht zwingend auf Strafen zurückgreifen, um unerwünschte Verhaltensweisen loszuwerden.
Fragt man die Verhaltensforschung, dann ist die Wissenschaft diesbezüglich sogar ganz eindeutig auf der Seite des positiven, gewaltfreien Trainings[2],[3].
Werfen wir einen kurzen Blick auf die drei Haupt-Trainingsansätze und vergleichen ihre Nutzung der jeweiligen Quadranten.
Also, da wären:
Das Positive bzw. Attraktive Training (oft auch als Gewaltfreies oder Bedürfnisorientiertes Training bezeichnet)
Das Aversive Training und
Das Balanced Training
Vorweg sei noch gesagt, dass diese Trainingsansätze mit bestimmten Wertvorstellungen einhergehen.
Die „Positivler“, die alles rund um die positive Verstärkung herum aufbauen (grünes Kästchen) und eher selten in einen der anderen Quadranten abrutschen, sind dem Hund grundsätzlich wohlwollend gegenüber eingestellt. Sie gestehen ihm seine eigene Persönlichkeit zu. Seine individuellen Eigenschaften werden bei der Trainingsplanung immer mit berücksichtigt (z.B. Herdenschutzhunde können einen Sitz-Pfiff oft besser umsetzen als einen Rückruf). Der Hund darf auch eigene Verhaltensvorschläge unterbreiten und er darf auch Nein sagen! Das heißt nicht, dass er keine Erziehung bekommt, er darf sein Training einfach nur mitgestalten. Und anstatt unerwünschte Verhaltensweisen abzutrainieren, werden stattdessen erwünschte Verhaltensweisen über belohnungsbasiertes Training auftrainiert. So hat der Hund von sich aus schon gar keinen Bedarf mehr die unerwünschten Verhaltensweisen zu zeigen, da sich die erwünschten Verhaltensweisen einfach viel mehr lohnen.
Bei den „Aversivlern“ hingegen finden wir häufig noch die veraltete Denkweise, dass Hunde einen Rudelführer brauchen, dem sie bedingungslos folgen müssen und das Hunde „ihren Platz“, der sich im Rang unter dem des Menschen befindet, kennen müssen. Vor allem Letzteres ist, so denken sie, nur durch Demonstration von Überlegenheit und Stärke möglich. Der Einsatz von Schmerzreizen, Schreckreizen sowie von sonstiger positiver und negativer Strafe ist in diesem Zusammenhang üblich. Geachtet wird auf Verhalten, welches falsch läuft und welches korrigiert werden muss. Oft werden die Hunde bewusst in ein unerwünschtes Verhalten gelockt, um es dann durch aversive Maßnahmen „korrigieren“ zu können. Die Hunde werden durch den Einsatz dieser Korrekturmaßnahmen eingeschüchtert und gehemmt.
Gehemmte Hunde sind sehr bequem für den Halter, da sie leicht (vor-)zu führen sind. Sie gehorchen auf’s Wort und fallen sonst nicht weiter auf. Aus Angst vor weiteren Strafen, zeigen sie oft nur sehr zurückgenommene, eingeschränkte Verhaltensweisen. Sie sind „brav“[4]. Manche dieser Hunde jedoch versuchen auszubrechen und entwickeln immer auffälligere Verhaltensweisen. Nicht selten kommt es zu einer Gewaltspirale. Die Halter müssen immer häufiger, immer härte durchgreifen, um diese Hunde „in der Spur“ zu halten. Strafe schafft eben kein Vertrauen und damit auch keine gesunde Bindung. Kommunikation auf Augenhöhe kann hier nicht stattfinden.
Das Balanced Training bedient sich aller Quadranten, um, wie sie selbst sagen, bei den Handlungs-/Trainingsmöglichkeiten breiter aufgestellt zu sein. Balanced Trainer nutzen eine Kombination aus dem Positivem und dem Aversivem Trainingsansatz. Sie arbeiten einerseits bedürfnisorientiert, ABER, „wenn es nicht mehr anders geht“, greifen auch sie in die Werkzeugkiste der aversiven Kontrolle, sprich zu positiver und negativer Strafe.
Durch das hin- und her springen zwischen bedürfnisorientiertem und strafbasiertem Training, fehlt es dem Hund an Vorhersagesicherheit. Er weiß nie, wie sein Halter reagieren wird. Diese Ungewissheit ist fast noch schlimmer als die Vorhersagesicherheit bei „nur“ strafbasiertem Training. Da weiß der Hund wenigstens, woran er ist. Beim Balanced Training weiß er das nicht. Nicht selten finden wir hier Hunde, die in der erlernten Hilflosigkeit[5] feststecken, weil sie gar nicht mehr wissen, was von ihnen erwartet wird.
Beim bedürfnisorientiertem Training über positive Verstärkung haben wir das alles nicht. Es hat keinerlei Nebenwirkungen. Es tut der Bindung gut, tut dem Seelenleben des Hundes gut, es produziert optimistische Hunde[6], die Spaß am Training haben und dadurch Gelerntes auch viel besser verinnerlichen[7].
Fazit:
Alle drei Trainingsansätze funktionieren. Da gibt’s nix zu diskutieren. Es ist für mich aber eine Frage der Ethik & Moral, ob ich mich für einen Ansatz entscheide, bei dem sich mein Hund wohlfühlt und bei dem er sich frei entfalten kann, oder ob ich einen Trainingsansatz wähle, bei dem mein Hund in Bezug auf sein Wohlbefinden, immer den Kürzeren ziehen wird. Und daher bin ich Team: Positives Hundetraining. Was bist Du?
[1] Basic Principles of Operant Conditioning - Eric S. Murphy & Gwen Lupfer
[2] Does training method matter? Evidence for the negative impact of aversive-based methods on companion dog
welfare - Ana Catarina Vieira de Castro, Danielle Fuchs, Gabriela Munhoz Morello, Stefania Pastur, Liliana de Sousa, I.
Anna S. Olsson
[3] The effects of using aversive training methods in dogs—A review
Gal Ziv / The Zinman College of Physical Education and Sport Sciences, Wingate Institute, Netanya, Israel
[6] Dogs are more pessimistic if their owners use two or more aversive training methods
Rachel A. Casey, Maria Naj-Oleari, Sarah Campbell, Michael Mendl & Emily J. Blackwell
[7] Performing under pressure: stress and cognitive function – Michael Mendl

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