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Fressen, Sex & Sicherheit - Auf der Suche nach der richtigen Belohnung

Aktualisiert: 12. Juni 2022



Auf der Suche nach der richtigen Belohnung, muss man sich erst einmal Gedanken darüber machen, was dem Hund eigentlich wichtig ist. Was lockt unsere Vierbeiner hinterm Ofen vor? Was treibt sie an?


Hunderte von Millionen von Jahre ist es alt. Tief im Säugetiergehirn verankert. Ein Programm, welches dafür sorgt, dass Hunde (und übrigens auch wir Menschen) ständig danach streben, die eigene Art überleben zu lassen. Die kostbaren Gene von Generation zu Generation weiterzugeben.


Um dieses höchste Ziel zu erreichen, müssen

  • regelmäßig Ressourcen beschafft/gesichert werden

  • Nachkommen produziert werden und

  • alle möglichen Gefahren abgewehrt werden


Also kann man, grob gesagt, alle von Hunden gezeigte Verhaltensweisen in drei große Funktionsbereiche einordnen (Im Spiel - dem heimlichen 4. Funktionsbereich - zeigen Hunde oft Verhaltensweisen aus allen Funktionsbereichen quer Beet):

  • Fortpflanzung

  • Ressourcenbeschaffung/-sicherung

  • Gefahrenabwehr

Gucken wir uns das mal etwas genauer an 🔎


Sofern der Hund nicht bei einem Züchter groß wird, wird ihm sein eigentliches, großes Ziel (Nachkommen zu produzieren) verwehrt bleiben. Das kann für Rüden wie auch für Hündinnen äußerst frustrierend sein, sobald ein geeigneter Partner in der Nähe auftaucht und man nicht kann, wie man gerne würde. Das mit den Nachkommen ist unter menschlicher Obhut echt schwierig umzusetzen.

Bei den Ressourcen sieht es da schon etwas anders aus. Fressen zu beschaffen und Vorräte zu sichern gehört zum "täglich Brot" unserer Vierbeiner. Fressen ist auch eines DER Grundbedürfnisse und sollte niemals an Bedingungen geknüpft sein. Trainingsformen wie NILIF (Nothing in Life is free) sind daher bedenklich, da sie für permanenten Hintergrundstress sorgen können. Denn, wenn Fressen nicht zuverlässig regelmäßig zur Verfügung steht, wird es zu einer wertvollen Ressource für den Hund, um die er ständig bangen muss und schwubbeldiewupps haben wir unter Umständen auch noch ein handfestes Ressourcenproblem. Also, den Wuffie bitte immer regelmäßig füttern.


Gerade bei der Gefahrenabwehr zeigt sich ganz deutlich, dass Hunde ständig eine ausgeklügelte Kosten-Nutzen-Analyse im Hintergrund laufen haben. Flucht ist sehr viel "billiger" als ein möglicher Kampf, dessen Ausgang ungewiss ist. Das Heilen von Verletzungen kostet sehr viel Energie. Energie, die man anderweitig dringender benötigt. Daher wird jeder Hund versuchen, eine Gefahr unter allen Umständen, so verletzungsfrei wie nur möglich abzuwehren. Das Problem ist nur, dass die meisten unserer Hunde durch eine Leine von dieser, aus ihrer Sicht, besten (günstigsten) Strategie, "Flucht (Flight)", abgehalten werden.

Auf Grund dieser Bewegungseinschränkung durch die Leine wird unser Fellkind gezwungen auf eine der anderen 3 Strategien (es gibt insgesamt 4 dieser Bewältigungsstrategien in Bezug auf Bedrohungen) zurückzugreifen:

  1. Die eher harmlose aber für andere Hunde z.T. extrem nervige Strategie des "Rumkasperns (Fiddle about)" - fälschlicherweise oft als "Der freut sich aber sehr" gedeutet,

  2. die Strategie "Einfrieren (Freeze)" oder als letzte Variante dann halt doch

  3. die Strategie "Kampf (Fight)" (Stichwort: Leinenrüpel).


Zusammenfassend kann man also sagen:


JEDES VERHALTEN HAT EINE FUNKTION!



Und was hilft dieses Wissen für's Training?

Nun...

  • Verhaltensweisen, die Erfolg versprechen, sich lohnen, werden häufiger gezeigt

  • Verhaltensweisen, die Misserfolg oder gar einen Schaden ankündigen, sich also nicht lohnen, werden seltener gezeigt.


Kennst Du die Funktion des Verhaltens, kannst Du auch besser abwägen, was Dein Hund grad gerne als Belohnung hätte. Für einen Hund, der gerade voller Elan das Wohnzimmer einer Feldmaus umdekoriert, wird ein Stückchen Trockenfutter, dass man ihm für das Ablassen dieser Tätigkeit ins Maul schiebt, keine passende Verstärkung sein. Er wird sich wahrscheinlich kein zweites Mal umlenken lassen. Die Belohnung entsprach einfach nicht der Funktion. Ein halb vergrabenes Käsestückchen aber... ha, da sieht die Sache schon etwas anders aus. Damit wäre der Hund wahrscheinlich eher als Belohnung einverstanden gewesen 😅


Heißt, verspricht das Ablassen vom Mauseloch eine Belohnung (in dem Moment lohnt es sich also ein anderes Verhalten zu zeigen), die sehr nah dran ist, am aktuellen Bedürfnis, dann wird der Hund mit hoher Wahrscheinlichkeit auch häufiger eher nach dem Käsestückchen buddeln, als nach der Maus (Stichwort: Umweltbelohnung).


Wie definiert ein Hund Erfolg & Misserfolg/Schaden?

Schauen wir uns dazu einfach die 3 Funktionsbereiche nochmal etwas genauer an:

  • Fortpflanzung: ich kann mich paaren - ich kann mich nicht paaren

  • Ressourcenbeschaffung/-sicherung: ich kann es fressen - ich kann es nicht fressen

  • Gefahrenabwehr: Gefahr-Abwehr-Maßnahme funktioniert - Gefahren-Abwehr-Maßnahme funktioniert nicht


Daraus abgeleitete Belohnungen:

Nun, eine erfolgreiche Fortpflanzung als Belohnung geht schlecht 🤭


Aber, gehe ich nur einen Funktionsbereich weiter, zur Ressourcenbeschaffung werde ich fündig: Beute machen ist ein geiles Zeug für unsere Hunde. Ein Leckerchen 🍪 als Belohnung geht daher fast immer! Viele Hunde finden auch ein das Beute-machen imitierendes Zergelspiel einfach nur klasse, usw.


Kann der Hund kein Leckerchen nehmen, bzw. sich nicht auf ein Zergelspiel einlassen, dann hat er entweder keinen Bock drauf, weil wir es zu langweilig präsentieren, oder es entspricht gerade nicht seinem aktuellen Bedürfnis (ist vielleicht doch eine läufige Hündin in der Nähe?) oder er steckt grad in einem zu hohen Erregungslevel fest. Letzteres wäre in etwa zu vergleichen mit: Wenn mir jemand eine Pistole an den Kopf hält, mag ich keine Erdbeertorte haben. In so einem Fall bitte raus mit dem Hund aus der vermeintlichen Gefahrenzone.


Und damit wären wir auch schon im Bereich der Gefahrenabwehr

Gefahren eignen sich natürlich nicht als Belohnung, aber deren Vermeidung. So kann man den Hund z.B. im Angesicht einer plötzlichen Bedrohung mit einer Distanzvergrößerung helfen.


Gefahren können aus mehreren Richtungen kommen:

  • von Artgenossen,

  • von artfremden Lebewesen (von uns, von Besuchern, von Schlangen, usw) oder

  • von Objekten

❗️WICHTIG: Was der Hund als Bedrohung ansieht, bestimmt nur er.

Auch wenn es uns völlig unverständlich ist.

Hat der Hund Angst oder fühlt er sich unbehaglich, dann ist das so❗️


Was uns selber angeht: Unsere Hunde sollten sich in unserem Umfeld immer sicher und wohl fühlen können. Wenn ein Hund nur deshalb etwas tut, um etwas Unschönes, das von uns kommt, zu vermeiden (z.B. einen Schmerzreiz durch uns - Stichwort: Leinenruck), dann ist die Motivation eine Traurige.


Wir sollten versuchen, immer die Quelle der positiven Erlebnisse zu sein! Taucht eine Gefahr von außerhalb unserer kleinen Freundschafts-Blase auf, dann stehen wir unserem Fellkind zur Seite und helfen ihm, damit klar zu kommen.


Konkret kann ein Training, welches die oben genannten Punkte berücksichtigt, z.B. so aussehen:

  • Mein Hund eskaliert z.B. immer an der Leine, wenn ihm Hunde entgegenkommen. Also, bringe ich erstmal, für die nächste Zeit, Abstand zwischen meinen und den fremden Hund (Gefahrenabwehr). Einfach mal gucken, welchen Abstand er braucht, um kein Bedrohungsabwehrverhalten zu starten. Im nächsten Schritt greife ich dann in die Belohnungskiste der Ressourcenbeschaffung und sorge dafür, dass für meinen Hund immer etwas Supertolles passiert, sobald ein fremder Hund am Horizont auftaucht, bis er anfängt fremde Hunde als Spaßankündiger zu sehen.

Training kann soviel angenehmer und auch erfolgreicher sein, wenn man die Bedürfnisse seines Hundes kennt und auch berücksichtigt. In diesem Sinne: HAPPY TRAINING ❤️


Bei Fragen bitte einfach melden oder in die Kommentare schreiben.


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